Ich warte auf meinen Tag
Alles bleibt erhalten,
nichts geht verloren,
nichts verschwindet,
auf alles kann zugegriffen werden.
Es bleibt nur die Frage:
Was passiert mit all diesen Informationen
und Daten?
Wozu werden sie verwendet?
Wozu dienen sie?
Werden sie ausgewertet
wie Umfrageergebnisse der Marktforschung
oder von den Geheimdiensten bearbeitet,
oder gelangen sie in die Hände
der Agenten der Angst
und der Zerstörung?
Oder dienen sie
zur Entlastung von aller Schuld
oder zur großen letzten Anklage
vor dem Jüngsten Gericht?
Werden all diese Daten seit dem Urknall
auf himmlischen Datenbanken abgespeichert
zur Sichtung
für das göttliche Urteil
nach unserer Super Nova?
Oder verstaubt alles im endlosen Archiv,
in Kartonschachteln,
alles aufgelistet in Reih und Glied
alphabetisch
nummeriert
chronologisch
in den Regalen am Ende der Tage.
Gibt es eine unglückliche Liebe?
Ist nicht jede Liebe glücklich,
solange man sie bei sich behält?
Der vorliegende Text
war von allem Anfang
als Fragment gedacht und geplant.
Aber dieses Fragment konnte nicht einmal
als Fragment abgeschlossen werden,
sodass selbst das Fragment nur fragmentarisch
erhalten blieb.
So ein Jammer!
Aber was soll man machen,
außer dieses Konzept mit ins Grab
zu nehmen.
Wörgl ist eine tolle Stadt.
Mitten im Zentrum kräht der Hahn
und das nicht nur dreimal.
Eine Stadt, wie ich sie mir vorstelle,
wie aus einem Werbeprospekt.
Heute ist ein Tag,
wo die Sehnsucht so groß ist,
dass mir alles zerfließt
wie die Farben eines Aquarells.
Wenn ich meine Augen schließe,
irgendwo
und
irgendwie
verschollen
an dieser Theke in Wörgl
im City Pub
oder in der
Sito Bar in der Salzburger Straße:
Auf alle Fälle heftig angeschlagen.
Jedenfalls bleibt uns das Fragment,
bis in alle Ewigkeit und in der ganzen Fülle erhalten,
bis an den Tag,
wo sich die Parallelen kreuzen,
da wir von Anbeginn wissen,
dass nichts verloren geht,
auch Fragmente nicht:
Vom Urknall vor 13 Milliarden Jahren
bis zu unserer Super Nova
und darüber hinaus
in beide Richtungen,
sodass der kommende große Donnerschlag
auch wieder nur eine
der üblichen Explosionen sein wird,
zumindest in unserer Vorstellung.
Während ich an deiner zarten Schulter lehne
und Trost suche
beim Duft deiner kurz geschnittenen schwarzen Haare
und deinen dunklen jüdischen Augen -
natürlich alles nur in meinen Gedanken,
und ich dennoch ganz in dich vergraben bin
ohne deinen Namen zu kennen,
werfe ich Blicke auf Bilder von dir
und auf zwei Kurzfilme,
die auf meinem Laptop immer wieder
abgespielt werden,
und du mich verschämt
aus den Augenwinkeln
anlächelst
und sich mir die Frage aufdrängt,
ob du noch manchmal
im Meshugga Cafe am Delmar Boulvard
in St. Louis
bei einem Kaffee sitzst
vor deinem Laptop
und mit den headsets
und dem hellblauen backbag am Nebenstuhl
und fleißig in deinen Manuskripten versunken bist.
Ja, ich würde gerne wieder
mit dir in diesem Künstlercafe sitzen
und sobald es meine Geldbörse erlaubt,
werde ich wieder in den Delmar Boulvard reisen
mit wenig Hoffnung darauf,
noch einmal dieses große blaue Gefühl zu finden.
Es ist Frühling,
mit frischen Nächten
und voll Kraft
und Kühle
und Abenteuer
und Wollust
und Erwartung
und voll Osterstimmung,
ganz im religiösen Sinn,
hier am Tor in den Westen der USA.
Beziehungen sind ja so ein Unsinn,
sage ich vor mich hin,
ohne mich zu verstehen,
was ich damit meine.
Gelegenheit macht Liebe.
Aber die Guten sind nicht nett
und die Netten nicht gut.
Seit in den Zügen nicht mehr geraucht
werden darf, saugen die Nikotin-Brüder
auf den Bahnsteigen an ihren Glimmstengeln,
als ob es um ihr Leben ginge.
Trotzdem müssen wir den Kampf
gegen die Apartheid aufnehmen.
Zonen für Weiße und Zonen für Schwarze
und Zonen für Rote und Zonen für Gelbe
und Zonen für Raucher und Zonen für Nichtraucher
und Zonen für Fette und Zonen für Hagere
und Zonen für Alte und Zonen für Junge
und Zonen für Männer und Zonen für Weiber.
Ach Literatur, dich liebe ich
ob deiner Möglichkeiten zur Unkorrektheit.
Ein letztes Reservat,
bevor die großen bösen Brüder
in Engelshaaren und prachtvollen Gewändern
in unser Gemäuer eindringen
und uns nur noch zu guten braven Brüdern
machen werden
mit Waffengewalt.
Wie gerne wüsste ich welchen Namen
du trägst, meine Mona Lisa.
Woher du stammst?
Was du an der Washington Universität studierst?
In wen du verliebt bist?
Wie deine Eltern wohl ihr Geld verdienen?
Aber wenigstens besitze ich blaue Bilder
und die beiden Kurzfilme
vom Meshugga Cafe.
Alle diese Erinnerungen,
heimlich aufgenommen.
Ach wie suche ich deine Nähe
in Gedanken,
denn jede weitere Nähe würde alles zerstören,
wie schon Giorgio Voghera aus Triest geschrieben hat.
Er musste einsehen, dass seine Zeit
für eine ordentliche Beziehung abgelaufen war.
Aber wenn man von ihm nichts mehr erwartete,
dann lief er zur Höchstform auf.
Sah man in ihm einen Hoffnungsträger,
dann versagte er kläglich.
Ich halte nichts von Tagebüchern.
Aber Bäume, Flüsse, Berge führen auch Tagebücher,
die es zu entschlüsseln gilt,
heißt es auf der Bodenkultur in Wien.
Und beim Schreiben gelten die vier großen N’s:
niedersetzen
niederschreiben
nicht
nachdenken.
Übrigens noch eine Anmerkung:
Wer am Boden liegt,
kann nicht weiter fallen,
weil gute Literatur von unten kommt
und nicht von oben.
An langen Abenden,
meinte Vater oft:
Es ist keine Schande
zu fallen - nur am Boden liegen zu bleiben,
darf nicht in Betracht kommen,
denn ein gutes Pferd zieht stets
ein weiteres mal.
Mein Bruder war in der Schule
so klug, dass er keine Prüfungen
benötigte. Kein Lehrer konnte ihm
was beibringen,
weil er schon alles wusste.
Ich bin da ganz anders gewesen,
obgleich ich auch kein Vollidiot war.
Selbst heute, wenn ich zufällig auf meinen
toten Vater auf der Straße stoße,
kommt er wie immer auf mich zu
und meint jedesmal:
Ach du himmelblauer See.
Auch hat er mich stets wissen lassen, dass
man sich das Wetter und die Verwandtschaft
nicht aussuchen könne.
Vielen Dank für deine Ansichtskarten.
Die letzte aus dem Jemen, wo alle
entführt oder verführt wurden.
Warst du deshalb dort?
Besonders gut kann es dir nicht gehen,
wenn es dich nach Tirol zieht.
Aber bitte...
Ich kämpfe ziemlich kraftlos um mein Überleben
und wünsche mir eine kurze Auszeit.
Ansonsten geht's mir wie üblich schlecht.
Es kommt nur noch Schmerz und Verwesung,
schreibst du mir aus dem Jemen.
Also bleib dort und besuche mich nicht in Tirol.
Meine einzige Hoffnung liegt einzig in der Hoffnung,
dass weder
die Buddhisten noch die Katholiken mit ihrer Wiedergeburt
recht behalten, denn gerne
verzichte ich auf eine Rückkehr.
Bitte darum von dieser Stelle aus
mich endgültig von der Warteliste
zu streichen.
Ich setze heute alles daran,
um in diesen Tag zu finden.
Vor allem: ruhig bleiben,
im auf und ab gehen,
ohne etwas an die Wand zu werfen,
bei den Radionachrichten nicht
endgültig die Nerven zu verlieren.
Kann man eine politische Auseinandersetzung
wie ein Fußballspiel kommentieren?
Kann man einen Wahlsieg bejubelen,
wie einen verwandelten Elfmeter?
Was wäre die Welt ohne Menschen?
Ohne Ozeane, die in der Hitze der
Sonne einfach verdampfen
und Wälder und ohne Gletscher
und ohne Flüsse und ohne Sümpfe?
Jedenfalls gäbe es keine Klimakatastrophe,
weil die Welt menschenleer wäre
und es keinen kümmern würde,
wenn dem so wäre,
wie es im Comix gezeichnet wurde.
Heute tu ich was für meine Figur
und gehe zu Fuß durchs McDrive
und begebe mich nachher
zum running Wok
„Wie geht’s?“
„Los geht’s“
„Ich bin der Dichter mit dem
dünnsten Gesamtwerk.“
Keine publizierte Zeile,
keine Zeile im Nachlass.
Aber auch so kann man ins
Buch der Rekorde kommen
und unter Umständen in die
Literaturgeschichte gelangen.
In Tirol erleben wir jetzt
den Kunstschneewinter.
Diese schönen Tage werden wir
noch büßen müssen,
heißt es von der Kanzel.
Von wem soll ich mich trennen,
außer von mir.
Das ist jedenfalls beunruhigend.
Aber andererseits:
Was gehe ich mich an?
Dennoch sende ich gerne Flugpost
über den großen Teich
und warte gespannt darauf,
ob diese Briefe abstürzen,
womit dann das Briefgeheimnis
Realität würde.
Züchtige mich,
prügle mich,
schlage mich,
du hast alle Rechte.
Ich kann nicht mit der Freiheit umgehen,
alles zerfließt,
alles zerfranst,
alles zerstört mich.
Ich brauche deine strenge Hand,
die harte Rute,
anders schaffe ich den Alltag nicht.
Die Peitsche
ist meine Struktur,
das gibt meiner Überlebensstrategie
Kraft,
ohne sie komme ich nicht über die Runden,
deine Strenge,
deine Härte,
deine Brutalität,
deine Liebe,
deine Nähe,
dein Verständnis:
wirf mich nicht weg,
sei nicht zu brutal,
wenn es nicht unbedingt sein muss,
aber bitte gewähre mir keinen Freiraum,
sei hart,
sei kantig,
sei rücksichtslos
gegen mich
mit jeder Form von Verboten
verfahre gegen mich.
Ich kann es dir nur danken
in aller Form
mit aller Kraft
und mit all meiner Würde.
Nachmittags komme ich mir
etwas verloren vor, denn die Stadt
weiß nichts mit mir anzufangen.
Vom Millionär zum Tellerwäscher.
Was für eine Karriere, unnachahmlich.
Großartig.
Gewaltig.
Der rechte Weg.
Das ist der neue Slogan und nur wer die leeren
Taschen kennt, weiß was ich leide
und welches Glück ich dabei erfahre.
Oft genug habe ich miterlebt
wie Glanz und Gloria
von Sätzen und Wörtern
verwelkten und verblassten,
ihren Saft verloren,
ergrauten und verblichen,
aber immer wieder
auferstanden zu neuen Höhen
und wieder glänzten und blinkten
wie die Lichter einer Großstadt
um Mitternacht.
Schulden sind nicht wie Hasen,
steht im Lui,
denn Hasen laufen schnell davon,
nur die Schulden bleiben.
Und wenn das Essen in einem Landgasthaus
üppig und ausreichend war,
dann kann es ruhig billig sein.
Ein solches Auge dürfte nicht sterben.
Aber es hilft nichts,
da müssen wir alle durch,
auch wenn sich niemand,
der gerade aktuell auf der Erde
anwesend ist,
persönlich darum gebeten hat.
Aber lassen wir diese sinnlose
Diskussion, die zu nichts anderem
führt, als zu einer weiteren
Flasche Stieglbräu Märzen.
Alle sind gespannt
auf die Lösung des Rätsels.
Für die richtige Antwort fehlen
mir momentan noch die Antennen.
Allein unendlich
viele Sterne am Firmament
bedeuten noch nichts.
Aber eines wissen wir:
Ist jemand fürs Leben untauglich,
dann wird er halt mal Künstler.
Heute fühle ich mich wie das
letzte Mal als ich dich traf,
wo immer das auch war,
sagt der Freund in der Altstadt zu mir.
Ich gehe in die Sonne,
ich marschiere in sie hinein
mit aufrechtem Haupt
und ohne Angst
und ohne Schrecken,
schreibt der Cafe Central Dichter
seinem jungen Freund
eine Postkarte aus dem Jemen.
Aber bitte, was hat dieser
unnötige Kerl dort verloren?
Jedenfalls hat er mit dieser Geschichte
nichts mehr am Hut.